Mit Widerständen umgehen
Widerstände im Team oder Seminar – vom Störfaktor zum Türöffner
Widerstände gehören zu den meistgefragten Themen in meinen In-House-Schulungen. Früher haben sie mich genervt und den Flow gekappt. Heute sehe ich sie als wertvolle Signale – und nutze sie mit empathischer Bestätigung als Türöffner.
Warum Widerstände so herausfordern
Sie unterbrechen Leichtigkeit und erzeugen Druck bei Leitenden. Schnell entsteht ein Gegeneinander. Doch Widerstand ist zunächst Realität der Person – keine Bewertung über uns. Genau dort setzt die Haltung an.
Schlüssel: Empathische Bestätigung
Empathische Bestätigung heißt: Ich würdige, was für die andere Person gerade wahr ist – bevor ich meine Sicht einbringe. Ich übersetze das Gesagte auf die Bedürfnisebene und lasse es bei der Person.
- Die Welt des anderen ist unantastbar.
- Widerstand ist in diesem Moment seine/ihre Realität.
- Der Widerstand gehört zur Person – nicht zu mir.
- Ich kann verstehen, ohne einverstanden zu sein.
So gehe ich vor: erst würdigen, dann Position
- Wahrnehmen & übersetzen: Was könnte das Bedürfnis sein (z. B. Selbstbestimmung, Wahlfreiheit, Klarheit)?
- Würdigen & bei der Person lassen: „Ich sehe, dass Ihnen … wichtig ist.“
- Eigene Wirkung benennen: „Mich irritiert …, wenn …“
- Kleine Bitte/Vorschlag: konkrete, freiwillige Alternative anbieten.
Fallbeispiel aus einer Fortbildung
Ein Lehrer sitzt in der ersten Reihe und liest Zeitung. Ich spreche es direkt und respektvoll an:
„Mich irritiert und lenkt es ab, wenn Sie hier vorne Zeitung lesen. Gleichzeitig bin ich sicher, dass Sie gute Gründe dafür haben. Ich würde das gerne verstehen, damit ich leichter damit umgehen kann?“
Seine Antwort: Er sei nicht freiwillig da, das Thema interessiere ihn nicht – er erlebe es als verlorene Zeit. Übersetzt: Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Freiwilligkeit.
Meine Reaktion:
„Ich verstehe das gut. Es ist etwas anderes, ob man aus eigenem Antrieb hier sitzt oder ob man verpflichtet wurde. Gleichzeitig merke ich, dass es mich vorne irritiert, wenn Sie in der ersten Reihe Zeitung lesen. Wären Sie bereit, weiter hinten Platz zu nehmen oder rauszugehen, wenn es besser passt? Für mich wäre das in Ordnung.“
Er legte die Zeitung weg, blieb – und beteiligte sich später. Würdigung senkt Widerstand; Klarheit ermöglicht Kooperation.
Praxis-Tipps für Leitung & Moderation
- Mikro-Würdigung zuerst: ein Satz reicht („Ich sehe, dass … wichtig ist“).
- Konkrete Wirkung: benenne, was dich stört und wo (Ort, Verhalten).
- Freiwillige Alternative: Einladung statt Forderung.
- Reihenfolge halten: erst Bestätigung, dann eigene Position.
Fazit
Gegen Widerstände zu arbeiten, macht sie meist stärker. Sie zu würdigen und in Bedürfnisse zu übersetzen, nimmt die Schärfe. So wird aus dem Störfaktor ein Türöffner für Kooperation und Verbindung.
FAQ – Umgang mit Widerständen
Heißt „verstehen“ automatisch zustimmen?
Nein. Verstehen heißt: Ich erkenne an, was dem Gegenüber wichtig ist. Zustimmen oder Grenzen setzen bleibt meine Entscheidung.
Was, wenn jemand provokativ bleibt?
Kurze Würdigung – dann klare Rahmenbedingungen. Z. B.: „Ich sehe, dass Ihnen Selbstbestimmung wichtig ist. Gleichzeitig braucht die Gruppe Ruhe. Sind Sie bereit, X zu tun – sonst machen wir Y?“
Wie vermeide ich, „zu weich“ zu wirken?
Würdigung ersetzt keine Klarheit. Sie ist der erste Schritt; die klare Bitte/Regel folgt danach. Beides gehört zusammen.
Funktioniert das auch online?
Ja: Würdigung im Chat oder per Voice, dann konkrete Optionen (Mute, Breakout, späterer Check-in). Wichtig ist die Reihenfolge.